008 SCHEUNE Einraum Studio

Am oberen Rande des Dorfkerns von Nesslau entsteht ein Refugium besonderer Art. Das Projekt untersucht, wie eine bestehende Scheune mit einer neuen Nutzung in Einklang gebracht werden kann und dabei der lokalen Baukultur verpflichtet bleibt. Ausgehend von dem vorhandenen Bestand in Strickbauweise lautet die Prämisse, dessen Struktur so weit wie möglich zu erhalten und zu bewahren. Die Hülle wird, wo nötig, sensibel ertüchtigt, die Tragstruktur behutsam instandgesetzt. Neubauten werden additiv in nachhaltiger Bauweise errichtet, bleiben aber als entkoppelte Elemente ablesbar eigenständig.

Bestand

Neben der reformierten Kirche stellt die Scheune aus dem späten 19. Jahrhundert einen prägnanten Teil des Ortsbildes dar. Seit ihrer Entstehung gehört sie zum Anwesen Hürnli, welchem sie als Pferdestall und Unterstand für das Fuhrwerk diente. Nach einem Besitzerwechsel und jahrelangem Leerstand sollte in der Scheune ein Rückzugsort der besonderen Art entstehen: Eine «Hütte für einen Nesslauer Bub» zur Rückbesinnung auf die eigene Herkunft, auf die örtliche Kultur im Einklang mit der Natur. Hier verbinden sich Tradition und Moderne, Handwerk und Gestaltung zu einer ortssensiblen Architektur.

Der Wille zur Wahrung eines Kulturgutes und der pragmatische Gedanke der Weiternutzung gebrauchter Strukturen rückten den Erhalt des Bestandes in den Mittelpunkt der Bauaufgabe. Schindelunterdach, Strickbau und Fassade konnten fast gänzlich erhalten werden, die eigenen Dachziegel gesichert und erneut verbaut werden, alte Backsteine vor dem Abriss einer Scheune aus der erweiterten Region geborgen und als Bodenbelag wiederverwendet werden. So wurde die Scheune äusserlich kaum verändert, ihre Hülle nur punktuell instandgesetzt und gezielt ergänzt. Auf der Ostseite wurde das alte Scheunentor durch ein grösseres ersetzt und auf der Südseite wurde ein neues Fenster analog zur bestehenden Giebelöffnung im Norden eingefügt, das durch das Schließen eines Schiebeladens in der Fassade verschwinden kann.

Das Innere der Scheune wurde im Bereich des bestehenden Strickbaues durch ein Einraumstudio ergänzt. Wie alle additiven Konstruktionen, steht es losgelöst vom Bestand auf einer eigenen Tragstruktur. Eine notwendige Erneuerung des alten Heubodens bot die Möglichkeit, diesen in kleinerer Form neu auszugestalten, um zusammen mit einer neuen Treppe das Studio zu erschliessen. Der Wohnraum im Studio ist offen um den neuen Holzspeicherofen angeordnet. Nasszelle und Schlafnische fügen sich unter der Dachschräge hinter den grünen Holztüren ein. Je nach Position der Türen können Wohnraum und Nischen räumlich verbunden oder separiert werden.

Besonders charakteristisch für das hier angewandte Konstruktionsprinzip ist die Kombination von Fichte und Esche. Erst der Einsatz von Esche ermöglicht die schlanke Dimensionierung der aussteifenden Diagonalen bei gleichzeitiger Aufnahme grosser Kräfte. Alle neuen Bauteile sind aus lokalem Holz gefertigt. Die konstruktiven Verbindungen werden weitestgehend mit klassischen Holzverbindungen und Eschedübeln gefügt, um das Potenzial des Holzes als vielseitiges Baumaterial auszuschöpfen und den Einsatz endlicher Rohstoffe auf ein Minimum zu reduzieren. Mit dem Einsatz von Re-use Elementen und dem Rückgriff auf traditionelles Handwerk knüpft die Scheune an ihre Geschichte an, bleibt der regionalen Baukultur verpflichtet und ist zugleich ein Vorbild für den schonenden Umgang mit Ressourcen.

TEAM
Philipp Schaefle
Hendrik Steinigeweg
Louis de Saint Affrique
Florian Hofmann

BETEILIGTE
INVIAS
Schälibaum AG
Egloff AG
Gebr. Giezendanner
Tobler Haustechnik AG
Tobler Metallbau AG
Kolb Elektro AG
Brändle Bedachungen
Malerbetrieb Grob